Broschüre

Geschichte

Ein Verein verschreibt sich dem Motorsport

Jung und Alt, ganze Menschenscharen pilgerten auf den Hausberg, um sich die besten Plätze fürs legendäre Mendelrennen zu sichern. Die vielen Rennsportbegeisterten entlang der Passstrecke verliehen dem Rennen alljährlich Volksfestcharakter.

Es herrschte der Ausnahmezustand. Diese kurze Anekdote verdeutlicht welch große Emotionen in unserem Bezirk mit dem Motorsport verbunden waren.

Auch wenn das Mendelrennen schon seit längerer Zeit eingestellt wurde, teilen noch viele Einheimische gerne ihre Erinnerungen an die legendären Wettläufe. Der Motorsport wurde in Südtirol in den vergangenen Jahrzehnten zwar etwas ins Abseits gerückt und größere Rennen finden aktuell keine mehr statt, doch die Begeisterung für schnelle Kurven und krachende Motoren sowie das kleinteilige Tüfteln am Fahrzeug riss nie vollends ab.

Diese Faszination ist zugleich auch Antrieb für den Verein „Rennstall Mendel“ - und dies bereits seit 50 Jahren.

Ein Jubiläum ist immer auch eine Gelegenheit auf die Anfänge zurückzublicken, Meilensteine hervorzuheben und zukünftige Ziele zu formulieren. Ein Jubiläum ist in erster Linie ein Grund zum Feiern!

Begeisterung für schnelle Kurven und krachende Motoren

Die Gründung

„Unter der Benennung „RENNSTALL MENDEL“ wird ein Rennstall geschaffen, der den Zweck hat, seinen Mitgliedern Motorsportveranstaltungen auf wettbewerbs- und freizeitlicher Ebene zu organisieren, fördern, erleichtern und behilflich zu sein, sowie den Motorsport in Südtirol zu schützen und zu beleben.“ (Art. 1, STATUT).

Dieser Satz wurde vor 50 Jahren ins Vereinsstatut geschrieben und bildet bis heute die Grundlage für die vielseitige Tätigkeit des Rennstalls. Als die drei Gründungsmitglieder Friedrich Larcher in seiner Funktion als Präsident sowie Arthur Dissertori und Leo Wohlgemuth am 30. August 1973 vor den  Notar in Bozen treten, scheint ein 50-jähriges Jubiläum noch in weiter Ferne.

Es ist der Versuch den Motorsport in den Dörfern zu etablieren und auch einen rechtlichen Rahmen zu schaffen, der eine bessere Förderung des Sports ermöglicht. Der Vereinssitz war damals in Kaltern; namensgebend der Hausberg und seine geschichtsträchtige Passstraße, welche auch das heutige Logo des Vereins ziert.

Das Mendelrennen spielte damals eine außerordentliche Rolle in der Südtiroler Motorsportszene.

Die Anfänge

Bereits nach kurzer Zeit zählte der Verein über hundert Mitglieder, welche sich in den folgenden Jahren schon verdreifachten – die Neugier und Freude am Motorsport war weit verbreitet.

Die meisten davon blieben Fans und begleiteten die Fahrer zu den verschiedenen Rennen. Einige jedoch schlugen – motiviert durch ihre Idole – eine Rennkarriere ein und machten sich durch ihr fahrerisches Können bei Bergrennen, Rundkursen oder Rallyes bald auch über die Landesgrenzen hinaus einen Namen. Von Beginn an spielte der sportliche Aspekt eine zentrale Rolle und die ersten Fahrer standen im Rampenlicht und erfuhren schon bald ein großes Medienecho der lokalen Presse.

Namen wie Franz Schreiner, Leo Wohlgemuth, Arthur Dissertori, Elmar Gschnell, Renato Menapace, Peter Comploj, Günther „Baron“ Wörndle, die Gebrüder Vito und Michele Critelli, Karl Radmüller, Romano Piva, „Tibeli“, Gianni Capri und „Girlando“ prägten die Südtiroler Motorsportszene.

Neben den rennbegeisterten Fahrern schafften schon bald erste Damen den Sprung in den Rennsport. Evi Paregger war bereits 1975 die schnellste Dame beim Mendelrennen. Bald darauf bekam sie Unterstützung von den beiden bekannten Rennfahrerinnen Delia Deflorian und Nadia Galvan.

Die Fahrer und Fahrerinnen des Rennstalls starteten bei zahlreichen Berg- und Rundkursrennen, Rallyes, aber auch bei Autogimcane, Eisrallyes und Rallye- Cross-Rennen.

Der Weg zum Erfolg

Sowohl in den Anfangsjahren als auch heute standen und stehen die Kameradschaft und Teamwork im Mittelpunkt.

Rennerfahrene Piloten geben ihre Kenntnisse an die jungen, aufstrebenden Fahrer weiter und es wird zusammen, auch an Details, getüftelt.

Die traditionsreichen Rennstrecken werden gemeinsam analysiert und tückische Stellen besprochen. Im Rennfahrer-Jargon gibt es sogar eigene Namen für besonders berüchtigte Kurven. „Das geht voll“ oder „hier muss man lupfen“ sind nur eine Auswahl an Ausdrücken, die nach den Probeläufen unter den Piloten ausgetauscht werden.

Dieser Erfahrungsaustausch ist immens wichtig für eine erfolgreiche Absolvierung eines Rennens. Gerade der Zusammenhalt im Rennstall war und ist der zentrale Baustein auf dem Weg zum Erfolg.

Auf und ab

Nach den sehr erfolgreichen und aktiven Anfangsjahren zunächst unter der Führung des Gründungspräsidenten Friedrich Larcher und anschließend unter dem langjährigen Präsidenten Arthur Dissertori schraubte der Verein seine Tätigkeit zurück und das Vereinsleben ruhte.

Gründe dafür waren organisatorische Schwierigkeiten, das Karriereende einiger altgedienter Piloten und letzten Endes auch der Ausstieg des Hauptsponsors.

Doch auch diese Ruhephase tat der Begeisterung für den Motorsport keinen Abbruch.

Nach dem 4-jährigen Intermezzo wurde dem Verein im Februar 1986 neues Leben eingehaucht. Im Plattenhof in Söll bei Tramin entschlossen sich die Initiatoren um Arthur Dissertori, Elmar Gschnell, Roland Enderle, Hansjörg Wolfensberger und Ivo Arnold den Verein wiederzubeleben. Sie bildeten auch den neuen Ausschuss, Präsident blieb weiterhin Arthur Dissertori, der den Verein insgesamt 15 Jahre leitete. Im Jahr 1990 löste ihn Ivo Arnold ab.

Mit viel neuem Elan führten sie den Rennstall wieder zu alten Erfolgen und etablierten den Verein unter den erfolgreichen Automobilrennställen Italiens. Wie bei vielen Vereinen hatte auch der Rennstall Mendel Erfolge zu feiern und Rückschl.ge zu verzeichnen.

Umso mehr zeichnet es einen Verein aus, wenn er 50 Jahre besteht, immer wieder einen Ausweg aus schwierigen Situationen findet und daraus neue Schaffenskraft resultiert.

Mythos Mendelrennen

Als im Jahr 1988 das letzte Mendelrennen ausgetragen wurde, ging ein Stück Südtiroler Motorsportgeschichte zu Ende.

Das Rennen war nicht bloß fester Bestandteil im Jahresprogramm des Vereins- und Heimrennen zugleich, sondern ein Event, das in Kaltern und auch den umliegenden Gemeinden von zentraler Bedeutung war. Ganze Generationen pilgerten alljährlich auf die Passtrecke und der Rennsport war damit inmitten der Gesellschaft präsent.

Die Passstrecke verwandelte sich zu einer Freiluftbühne, Vereine wie etwa die Freiwilligen Feuerwehren finanzierten mit den Einnahmen aus den Verpflegungsständen einen Großteil ihrer Tätigkeit. Das Mendelrennen – ein Mythos, eine Strecke auf der Legenden geboren wurden und auch einheimische Fahrer zu Helden wurden.

Der Startschuss für das legendäre Rennen fiel im Jahr 1930.

Beginnend vor dem Sitz des ACI in Bozen führte die Rennstrecke über die Mendelstraße nach Frangart, durch den Ortskern von St. Michael und anschließend hinauf auf den Mendelpass.

Es wurden 26 km zurückgelegt. Kuriosum am Rande: Schlossen sich die Schranken am Bahnübergang in Sigmundskron, so musste der Pilot warten und die Standzeit wurde dann am Ende von der Laufzeit abgezogen.

Im Jahr 1956 wurde der Start nach Eppan verlegt und eine Strecke von 14,5 km absolviert, die letzten sieben Rennen wurden in der oberen Gand gestartet und umfassten 13,9 km.

Bis heute unvergessen sind die acht Siege des Ausnahmekönners und Bergkönigs Mauro Nesti, der mit einer Zeit von 7´02´´26 aus dem Jahr 1985 den Streckenrekord hält. Mit Oscar Sartini und Herbert Demetz fanden auch zwei Südtiroler Eingang in die Siegerliste.

Auch für die Fahrer des Rennstalls Mendel bildete das Mendelrennen den alljährlichen Höhepunkt. Hier waren alle bis in die Haarspitzen hochmotiviert und wollten ihre beste Leistung vor heimischem Publikum zeigen.

Die Rennstrecke war auch deshalb unter den Fahrern so geschätzt, da sie alle Eigenschaften aufweist, die ein Rennfahrerherz höher schlagen lassen.

Aufgrund dieser besonderen Beschaffenheit zählte das Rennen einige Jahre sogar zur Europameisterschaft, berühmte Namen wie Jochen Rindt, Johannes Abt, Sepp Greger oder Peter Schetty absolvierten den Kurs und sind damit untrennbar mit der Geschichte des Mendelrennen verbunden.

Seit dem letzten Rennen 1988 wurde der Motorsport in Südtirol zunehmend ins Abseits gerückt – klassische Bergrennen wie das Mendelrennen gibt es keine mehr.

Gerade die Nachwuchsfahrer haben keine Gelegenheit mehr vor heimischem Publikum ihr fahrerisches Können unter Beweis zu stellen.

Der Mythos Mendelrennen lebt weiter!

Gerne würde man die nationalen Konkurrenten auch mal am Hausberg willkommen heißen. Jahrelange Bemühungen zur Reaktivierung scheiterten bisher.

Doch seit ein paar Jahren rührt sich wieder etwas. Im unteren Teil der Strecke wird ein Autoslalom ausgetragen, viele Schaulustige und Motorsportbegeisterte drängen wieder auf die Passstrecke.

Vielleicht gelingt in den kommenden Jahren der große Coup – ein Rennen entlang der berüchtigten Wendungen und Felswänden, ein Rennen am jenem Berg, der dem Verein den Namen gab und dessen Strecke im Logo verewigt wurde.

Präsidenten des Rennstall Mendel

Erwin Morandell

ab 2022

Rudi Bicciato

2021 - 2022

Ivo Arnold

1990 - 2021

Arthur Dissertori

1975 - 1990

Friedrich Larcher

1973 - 1975

lg md sm xs